20.08.2018

Blick zurück - und in die Zukunft? Die programmierte Geburt

Es steht wissenschaftlich noch nicht endgültig fest, welche Faktoren im Detail die Geburt auslösen. Eindeutig ist es aber das Kind im Mutterleib, das das Startsignal gibt. Die Ergebnisse einer US-Studie lauten jedoch so: Um perinatale Komplikationen und Kaiserschnitte zu vermeiden, soll in der 39. Schwangerschaftswoche die routinemäßige Einleitung der Geburt erfolgen. Der Landesverband positioniert sich explizit gegen eine Programmierung.

Vielmehr setzen wir uns für die konseqente Förderung der natürlichen Geburt ein und sehen alle Versuche, in natürliche Abläufe einzugreifen, kritisch.

Die "programmierte Beendigung der Schwangerschaft" war bereits in den 70er-Jahren ein Thema - und kommt durch die US-Studie wieder ans Tageslicht. Offenbar ist es unerträglich, dem Kind die Entscheidung zu überlassen, wann es geboren werden will.

Die "programmierte Geburt", wie sie 1967 erstmals durchgeführt wurde, verstand sich als geplante Geburtseinleitung zum optimalen Termin für das Kind. Die erforderliche "Reifebestimmung" des Kindes erfolgte aufgrund neuer technischer Möglichkeiten - und durch Arzt oder Ärztin. Bei 2.000 mittels programmierter Geburt beendeten Schwangerschaften wurde die Verringerung perinataler Sterblichkeit festgestellt.

Die aktuelle Studie zur routinemäßigen Einleitung der Geburt in der 39. Gestationswoche wartet ebenfalls mit positiven Ergebnissen auf: Sie habe bei "Erstgebärenden mit einer unkomplizierten Einzelschwangerschaft die Rate der perinatalen Komplikationen gesenkt und bei vielen Frauen einen Kaiserschnitt vermieden", so informiert das Ärzteblatt. Offenbar wird in angelsächsischen Ländern bereits über eine routinemäßige Schwangerschaftseinleitung in der 39. Woche nachgedacht.

Wie die Frauen dazu stehen, wurde in der Studie allerdings nicht gefragt. Doch haben, so das Ärzteblatt, mehr als 16.000 Frauen die Teilnahme an der Studie abgelehnt, vor allem "ältere Frauen europäischer Herkunft". Schon vor mehr als vierzig Jahren war die Antwort auf die "programmierte Geburt" folgende: Die Frauen haben mit den Füßen abgestimmt, sind nicht mehr in Kliniken gegangen, die so gearbeitet haben. Der französische Gynäkologe Frédérick Leboyer mit seiner sanften Geburt kam ganz groß in Mode.

Mutter und Kind: kompetente Hauptakteure der Geburt

Die Hebammentugend des "gekonnten Nichtstuns" lässt sich jedenfalls schwerlich mit "programmierter Geburt" vereinbaren. Warum auch?; ist doch die natürliche Geburt ein evolutionäres Erfolgsmodell, wie Prof. Dr. Schiefenhövel auf unserer Landestagung 2018 überzeugend ausführte.

Gut also, dass das für Hebammen und werdende Mütter hoch attraktive Modell des hebammengeleiteten Kreißsaals derzeit in aller Munde ist. Es fußt nämlich auf dem genauen Gegenteil der "programmierten Geburt": Hier bestimmen Mutter und Kind.

Wir haben uns in unseren Forderungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Hebammen deutlich für eine Stärkung des hebammengeleiteten Kreißsaals ausgesprochen und sind damit auf einer Linie mit der Politik in NRW.


Ärzteblatt.de vom 10.08.2018

Zeit Archiv vom 21.10.1977

Ärzteblatt 1977 (hier muss die pdf geöffnet werden)

Interessanter historischer Überblick zur "Altlast programmierte Geburt" bei Greenbirth